Felicitas Goodman |
Prof.
Dr. Felicitas Goodman, geboren 1914, ursprünglich
Dolmetscherin und Übersetzerin, studierte Linguistik, Kulturanthropologie
und Religionspsychologie. Nach elfjähriger Lehrtätigkeit an der Denison
Universität in Ohio gründete sie das Cuyamungue Forschungs- und Lehrinstitut
in New Mexico, das sie selber leitet zur Erforschung religiöser Trancezustände.
Felicitas Goodman ist Autorin mehrerer Bücher, die sich mit dem Phänomen
außergewöhnlicher Bewußtseinszustände befassen.
Die Ethnologin Goodman hat sich jahrelang mit der Welt des Religiösen in frühen menschlichen Gesellschaften beschäftigt, insbesondere mit dem Phänomen der religiösen Ekstase, d.h. wie die damaligen Völker im tatsächlichen sinnlichen Erleben in die geheimnisvollen Gefilde einer anderen Dimension der Wirklichkeit eindringen konnten. Sie hat versucht, in einem mehr als zwanzig Jahre laufenden kulturanthropologischem Forschungsprojekt, religiöse Phänomene zu rekonstruieren und die damit verbundene psychosomatische Erlebnisdimension ohne Bezugnahme auf irgendein Glaubenssystem nachvollziehbar zu machen. Es ging ihr um die Wiederentdeckung eines fast völlig verschütteten Kulturgutes, nämlich des Geheimnisses bestimmter ritueller Körperhaltungen, die seit Jahrtausenden in der sogenannten primitiven Kunst dargestellt worden sind. Unsere Vorfahren benutzten also diese rituelllen Körperhaltungen, um in eine anderen Bewußtseins-zustand, die sog. Trance, zu gelangen.
Definition
Trance: veränderter Bewußtseinszustand, der mit einer Reihe
von körperlichen und psychischen Veränderungen einhergeht. Goodman
untersuchte, inwieweit die auftretenden nervösen Prozesse (Parameter: Hirnströme,
Muskelspannung, Blutdruck-und Pulsverhalten) mit einem bestimmten Erlebnisinhalt
korrelieren. Dazu geeignet sind Untersuchungen am Sprechmuster, dargestellt
durch sog. Intonationskurven, und sie fand heraus, daß sich das Sprechmuster
bei der religiösen Trance deutlich von denen anderer Bewußtseinszustände,
wie z.B. der Hypnose, Sprechen im Schlaf oder Sprechen in Zungen unterscheidet.
Daraus zog sie den Schluß, daß der Mensch im religiösen Ritual
immer in den gleichen Bewußtseinszustand versetzt wird. Unterstützend
hierzu wurden Hirnstrom-aufzeichnungen durchgeführt, welche zu einem interessanten
Ergebnis führten: Es traten bei der religiösen Trance eindrucksvolle
Thetawellen auf, welche normalerweise nur bei Erlebnisleere, z.B. beim Einschlafen
registriert werden, während sie bei der religiösen Trance von starken
Visionen begleitet werden. Um dieses eigentlich paradoxe Phänomen zu ergründen,
wurde zusätzlich das elektronegative Potential der Kortexoberfläche
gemessen. Es erhöhte sich unmittelbar nach Einsetzen der Trance etwa um
den Betrag, um den dieser beim Einschlafen reduziert wird. Außerdem sackt
der Blutdruck ab, der Puls steigt an und es wird beta-Endorphin ausgeschüttet.
Insgesamt handelt es sich also um einen paradoxen Erregungszustand.
Alles
in allem ergibt sich das Bild eines umwälzenden körperlichen Geschehens,
das bei dem religiösen Erlebnis die biologische Grundlage darstellt und
das mit dem visionären Erleben korreliert.Trotz dieser scheinbar komplizierten
körperlichen Vorgänge, ist es möglich, mit relativ einfachen
Mitteln den Trancezustand hervorzurufen, da es eine angeborene Fähigkeit
des Menschen ist die körperliche Umstellung in den Zustand der Vision zu
vollziehen.
Induktionsmethoden: Rhythmische Anregung durch Singen, Klatschen, Trommeln oder Rasseln und zwar in einem gleichmäßigen Rhythmus, z.B. 200-210 Schläge pro Minute. Dieses Tempo ist dazu geeignet, im Hirn die Theta-Wellen hervorzurufen.
Es hat sich herausgestellt, daß bei dem Auftreten
eines religiösen Erlebnisses jedoch noch etwas Spezifischeres hinzukommen
muß und daß die körperliche Anregung und das Milieu und die
Erwartung allein nicht ausreichen. Dieses Spezifische ist das religiöse
RITUAL, d.h. eine geschlossene Folge von Handlungen, deren ausdrückliche
Aufgabe es ist, die Verbindung zur anderen Wirklichkeit herzustellen. Die in
der Kunst versunkener Kulturen bewahrten Körperhaltungen sind in Wirklichkeit
in sich geschlossene Rituale und erstehen unter Hinzufügung der rhythmischen
Anregung zu neuem Leben. Jede einzelne Körperhaltung beeinhaltet innerhalb
eines recht groß gezogenen Rahmens ein anderes visionäres Erlebnis.
Z.B. das Erlebnis der Seelenfahrt, des Heilens, des Wahrsagens, die Metamorphose
(der Verwandlung in eine Pflanze oder meistens in ein Tier) und anderes mehr.
Im Gegensatz zu den Vorgängen beim Visualisieren oder der Telepathie handelt
es sich bei dem in der Trance wahrgenommenen Wesen oder Bild um ein transpersonales
Erlebnis, wo das Bewußtsein über die gewöhnlichen Ich-Grenzen
hinaus erweitert ist und außerdem die Schranken von Raum und Zeit überschritten
werden. Es gab eindrucksvolle Übereinstimmungen des Erlebnisinhaltes bei
Probanden unterschiedlicher Kulturen, die also nicht von den Persönlichkeitsdaten,
sondern von der entsprechenden Haltung herrühren. Als besonders wichtig
erscheint Goodman die Tatsache, daß eine Reihe anderer aus der Ethologie
stammender Berichte mit Bezug auf gewisse Haltungen ihre Erlebnisse mit den
gleichen Haltungen bestätigen. Auch dort werden solche Erlebnisse als transpersonal
eingeordnet.
In
der Kulturgeschichte der alten Völker gibt es Hinweise dafür, daß
die Körperhaltungen als Offenbarungen dem jeweiligen Volk von den Gottheiten
geschenkt wurden. Im Gegensattz zur abendländischen hierarchischen Gesellschaftsstruktur
war die Welt der Jäger und Gartenbauer egalitär. Menschen und Gottheiten
waren gemeinsam in die multidimensionalen Muster des Kosmos eingebunden. Wurde
nun dieses kosmische Muster gestört, so entstand Krankheit und Disharmonie.
Da nun ja auch die Gottheiten ein Interesse daran hatten, daß die kosmische
Ordnung wiederhergestellt wurde, schenkten sie den Menschen die Rituale.
Mit dem Übergang vom Gartenbau zur Ackerbaugesellschaft begann das Wissen um die rituellen Körperhaltungen allmählich zu verblassen, um schließlich vollkommen zu versinken. Der aus der Berührung mit den Wesen der anderen Wirklichkeit herrührende Zuwachs an Kraft wurde als Macht gedeutet und somit Tradition in Geheimwissen umgewandelt oder unvollständigoder verzerrt wiedergegeben. Die letzte bekannte Kulturform, die des Städters, hat keine eigene religiöse Ausdrucksform. Der Tranceentzug hat ihrer Meinung nach viel zum Drogenmißbrauch beigetragen.
Ihre
Methode der Erforschung von Körperhaltungen und den damit verbundenen Erlebnisinhalten
beruht erstens auf der praktischen Durchführung des Rituals mit Probanden
und dem anschließenden Vergleichen und Bestätigen der visionären
Erlebnisse mit schriftlichen Quellen aus der ethnologischen Forschung und Kunst,
sowie der Mythologie. Dazu möchte ich euch folgendes Beispiel geben: Haltung
des Mannes von Cuautla nach dem Fundort der Figur im nördlichen Mexico
benannt. Der Mann sitzt flach auf dem Boden, er trägt eine Federkrone,
sein Kopf ist leicht nach hinten geneigt, und er hält die Zunge zwischen
den Lippen. Die Beine sind ausgestreckt die Knie leicht gekrümmt. Der linke
Arm ist etwas stärker gestreckt als der rechte, die linke Hand liegt seitlich
auf dem Knie, während die gespannt auf dem rechten Knie ruht.
Aus
den Erlebnissen der Probanden ging hervor, daß es sich um eine Seelenfahrt
handelt zu einem besonderen Ort, der unter einer Pyramide liegt und zwar in
ausgedehnte Höhlen. Erst Jahre später fand Goodman heraus, daß
es sich bei dieser Pyramide mit den unterirdischen Höhlen um die Pyramide
der Sonne in der toltekischen Stadt Tulan Zuyua handeln mußte (Quelle:
Mythensammlung Quiche-Maya) Moderne Grabungen haben ergeben, daß sich
unter der Pyramide sieben Höhlen befinden. Außer der Örtlichkeit
berichteten die Teilnehmer auch noch andere Einzelheiten. Eine Teilnehmerin
berichtet von einem Geist, der auf der Brust einen leuchtenden und kreisenden
roten Fleck hatte. Nach mythologischen Schriften gibt es einen Gott des klassischen
Mayatums, von dem etwas ähnliches berichtet wird. Wieder ein anderer Teilnehmer
sieht mit Blättern bekleidete Menschen, die Tiermasken tragen und einer
in ein langes Gewand gekleidete Frau Ofergaben bringen. Die Darstellung einer
solchen Szene gibt es als Wandgemälde in Teotihuacan.
Dies als Beispiel für die wirklich beeindruckenden
Kulturgeschichtlichen Recherchen von Felicitas Goodman.
Als letztes möchte ich euch noch ein paar Haltungen für den alltäglichen
Gebrauch vorstellen. Die Rituale können zur Bereicherung des alltäglichen
Lebens, etwa zu Heilzwecken angewandt werden. Man muß sich allerdings
darüber klar sein, daß man auf die Dauer kein neutraler Zuschauer
bleiben kann, sondern daß man mit dem wiederholten Eintritt in jene andere
Dimension schließlich auch zu ihrem Mitbewohner wird. Aber zuerst einmal
sind wir Besucher in einem uns unbekannten Land und sollten die richtigen Formen
der Höflichkeit gegenüber unserem Gastgeber wählen. Das heißt
wir übernehmen die rituellen Einführungs-und Abschluß-handlungen
der Gartenbaukultur, aus der die Körperhaltungen zum größten
Teil stammen.
Vorbereitung: trockener Salbei, ein Gefäß oder Beu'telchen Dinkelmehl (eigentlich blaues Maismehl, wer’s hat) Rassel oder Trommel
Einführungsritual:
Der Leiter zündet den Salbei an und beräuchert die Teilnehmer und
Instrumente. Danach wird der Rassel ein Speiseopfer gespendet, das erst zum
Segen behaucht wird und dann in die sechs heiligen Richtungen gewiesen wird.
(Osten, Norden, Westen, Süden, Himmel und Erde). Dann wird in die sechs
Richtungen gerasselt, womit die Geister eingeladen werden. Sie werden dann mit
einem Speiseopfer begrüßt, das man ebenfalls erst anhaucht, dann
wird es in die sechs Richtungen gewiesen und zum Schluß verstreut. Als
nächstes wird die Haltung geübt und anschließend eine Atemübung
gemacht Diese besteht aus 50 leichten Atemzügen, um den Körper auf
die nachfolgende rhythmische Anregung einzustellen. Nun wird die Haltung eingenommen,
die Augen geschlossen und der Leiter rasselt 15 min lang. In dem Augenblick,
wo die rhythmische Anregung aufhört, kehrt der Teilnehmer zum gewöhnlichen
Bewußtsein zurück.Auswahl ritueller Körperhaltungen:
1. Die Fahrt des Saami-Schamanen in die Unterwelt
Bei
dieser Haltung liegt man mit ausgestreckten Armen auf dem Bauch, wobei die rechte
Hand etwas weiter nach vorne gestreckt ist als die linke. Die Füße
sind gekreuzt und zwar so, daß der rechte Fuß über dem linken
liegt. Das gesicht ist nach\rechts gedreht.
2. Haltung des Bärengeistes (Heilritual)
Man
steht mit den Füßen parallel, mit leicht gekrümmten Knien.
Beide Hände werden gekrümmt, so als würde man etwa ein Taubenei
umklammern. Dann legt man die Hände so aneinander, daß sich der erste
Knöchel des Zeigefingers berührt.Dann legt man die Hände auf
den Leib, sodaß der Nabel sich in dem Handdreieck befindet. Die Daumen
liegen locker nebeneinander auf den Fingern. Die Oberarme stützen sich
leicht am Oberkörper an. Den Kopf lehnt man zurück, so als wolle man
die Kante zwischen Wand und Decke sehen.
Bei dieser Haltung wird oft berichtet, daß man gespaltet wird und eine Flüssigkeit eingeträufelt bekommt. Aber das Heilen kann auch viele andere Formen annehmen. Die Energie strömt z.B. aufwärts und sammelt sich an der kranken Stelle. Man kann von der Bärenkraft geschüttelt oder gestoßen werden. Der Bärengeist erscheint oft persönlich und sein Erscheinen wird fast immer von einer violetten Farbe begleitet. Der Bärengeist nimmt außerdem oft die Gelegenheit wahr, um einen Teilnehmer als Heiler zu weihen, indem er ihn in der Trance zerstückelt und dann wieder zusammenfügt, ohne daß das Erlebnis als leid-oder qalvoll empfunden wird.
Am Schluß der Sitzung behaucht der Leiter ein wenig Mehl (oder Reiskörner) und streut einen Mehlpfad in Richtung des Ausgangs oder einer hierzu geöffneten Tür. Das restliche Mehl wird dort in die Luft gestreut und man bedankt sich bei den Geistern für ihren Besuch.
Mit
dem religiösen Ausnahmezustand, der Ekstase, beschäftigt sich
Felicitas Goodman seit 1968. In ihrem Buch: „Wo die Geister auf den
Winden reiten - Trancereisen und ekstatische Erlebnisse“ (BAUER-VERLAG)
ist dies ausführlich dargestellt, wie man mit einer ganz einfachen
Induktionstechnik - mit der Rassel - auch außerhalb eines festliegenden
religiösen Systems hervorrufen kann. Voraussetzung ist die Verbindung
dieser Induktion mit rituellen Körperhaltungen, wie sie seit Tausenden
von Jahren aus der Kunst nicht-westlicher Kulturen bekannt sind. Bei derartigen
Übungen ergeben sich außer einem intensiven körperlichen
Wohlbefinden auch eindrucksvolle Begegnungen mit der anderen Wirklichkeit. Bilder aus Videoaufzeichnung von einem Seminar mit Felicitas Goodman im März 1993 im Kamala Institut. |